Wird ein bereits erteilter Patentanspruch im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens vom Patentinhaber eingeschränkt, verbietet sich die Prüfung darauf, ob die beschränkte Anspruchsfassung nunmehr klar sei. Der BGH setzte mit seiner Entscheidung „Fugenband“ Maßstäbe für Nichtigkeitsverfahren in Bezug auf Patentansprüche.
Maßgebliche „Fugenband“ Entscheidung des BGH
Eine Prüfung bereits erteilter Ansprüche auf Klarheit ist weder im Europäischen Patentübereinkommen noch im Patentgesetz vorgesehen. Dies gilt auch dann, wenn die Einschränkung aus Gründen der Klarstellung erfolgt und die erteilte Fassung unter Umständen in irgendeiner Weise unklar gewesen war, die jeweils erteilten Ansprüche aber dennoch für einen Fachmann ausführbar offenbart worden sind.
Dies stellte der Bundesgerichtshof (BGH) bereits im Oktober 2015 mit seiner sog. „Fugenband“-Entscheidung (Az. X ZR 11/13) klar und setzte damit Maßstäbe zu Nichtigkeitsverfahren in Bezug auf Patentansprüche.
Das in diesem Fall betrachtete europäische Streitpatent betrifft ein kalt verarbeitetes Fugenband, das ursprünglich mit sieben Ansprüchen erteilt worden ist. Mit dem Streitpatent solle eine Höchstmenge an Bitumen zum Dichten, Bewegen und Haften im Straßenbau an eine Anbindungsflanke hergestellt werden können, um ein weiches Gelenk einzubauen. Konkret solle durch das Patent ein Fugenband zur Verfügung gestellt werden, das einfach zu verarbeiten sei und gleichwohl einen dichten Nahtverschluss gewährleiste.
Nichtigkeitsverfahren und Vorwurf der undeutlichen Offenbarung
Strittig waren mehrere Punkte: zum einen musste das Gericht die Bedeutung des Begriffs „Fugenband“ klären, und die Parteien stritten auch darüber, über welche Qualifikation der maßgebliche Fachmann verfügen müsse. Üblicherweise wird ja für die Auslegung eines Patents und die Beurteilung der Patentfähigkeit ein fiktiver , „maßgeblicher“ Fachmann angenommen. Die Klage lautete:
- der Anspruch des Streitpatents gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und sei nicht patentfähig.
- zudem werde ein Gegenstand beansprucht, der nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann ihn ausführen könne.
Der BGH führte aus: Beschränkt der Patentinhaber selbst im Nichtigkeitsverfahren einen oder mehrere Ansprüche, sei lediglich zu untersuchen, ob der so definierte Gegenstand über die ursprüngliche Offenbarung hinaus gehe und damit den Schutzbereich unzulässig erweitere. Weiteres Zulässigkeitskriterium sei gem. Art. 84 S. 2 EPÜ, der § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG i.V.m. § 9 Abs. 6 PatV entspreche, auch, ob der Anspruch in der beschränkten Fassung hinreichend deutlich und klar gefasst sei (BGH X ZR 88/09). Diese Anforderungen gelten nämlich auch für die beschränkte Fassung eines Patentanspruches.
Keine Prüfung auf Klarheit – auch nicht bei geänderten Patentansprüchen
Bei bereits erteilten oder im Einspruchsverfahren geänderter Patentansprüche verbiete sich aber eine Prüfung auf Klarheit deswegen, weil der Patentinhaber auf eine einmal erhaltene Rechtsposition vertrauen können dürfe, solange kein Einspruchs- oder Nichtigkeitsgrund vorläge. Die ggf. unklare aber dennoch ausführbare Formulierung eines Anspruches selbst stelle gerade keinen solchen Grund dar. Sowohl das Europäisches Patentübereinkommen (EPÜ) als auch das Patentgesetz (PatG) würden Einspruchs- oder Nichtigkeitsgründe jeweils abschließend regeln, sodass ein richterrechtlich bestimmter Prüfungspunkt unzulässigerweise in die geschützte Rechtsposition des Patentinhabers eingreift.
Maßgeblicher Fachmann und erforderliche Ausführungsbeschreibung
Der BGH stellt weiterhin fest, dass maßgeblicher Fachmann derjenige sei, der in der Praxis mit der Entwicklung und Herstellung von Materialien für Nähte und Anschlüsse im Straßenbau und mit dem Verschließen von Fugen befasst sei. Dafür seien zwar Kenntnisse über Materialeigenschafen vonnöten, diese könne aber sowohl ein Straßenbauingenieur als auch ein Bauchemiker haben, auch wenn letzterer hauptsächlich mit der Zusammensetzung und dem Einsatz von Baustoffen beschäftigt sei. Der Patentanspruch müsse nicht alle zur Ausführung der Erfindung erforderlichen Angaben enthalten. Es reiche aus, wenn dem Fachmann ein allgemeines Lösungsschema an die Hand gegeben wird. Das Gericht wies darauf hin, dass in der Beschreibung des Patents Begriffe auch eigenständig definiert werden können und insoweit dann gewissermaßen ein patenteigenes Lexikon darstellen.
Schließlich definierte der BGH den mit von dem Streitpatent verwendeten Begriff „Fugenband“ durch Auslegung der Angaben zu Zweck, Wirkung oder Funktion, die sowohl im Anspruch selbst als auch in der Patentbeschreibung enthalten sein können. Die Definition berücksichtigt auch das entsprechende Merkblatt einer Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen als ein solches, „mit dem eine gegen witterungsbedingte und mechanische Einflüsse resistente und dichte Herstellung von Nähten und Anschlüssen im Straßenbau erzielt werden“ könne, das seitlich in einer Fuge angebracht werde.
Änderung der Sachansprüche in Verwendungsansprüche zulässig
Schlussendlich anerkannte der BGH die Patentfähigkeit für einige der strittigen Patente, und die Erfindung sei zudem ausführbar offenbart. Zwei deutsche Patentschriften (K12 und DD 258 259 (K10) ) wurden jedoch ohne weitere Sachprüfung als nichtig erklärt. Gleichzeitig erklärte das Gericht die beschränkte Verteidigung durch Änderung der Sachansprüche in Verwendungsansprüchen für zulässig. Denn ein Erfinder solle für die neue und nicht naheliegende Verwendung eines an sich bekannten Erzeugnisses Schutz erhalten. Und eine Prüfung der in Verwendungsansprüche geänderten Patentansprüche sei nicht statthaft.
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